Besteht ein realer Zusammenhang zwischen der Körpergröße und dem Charakter eines Menschen? Sind kleinere Menschen wirklich häufiger egozentrisch und rücksichtslos, oder handelt es sich dabei nur um ein Vorurteil?

„Große Klappe, aber nichts dahinter“ wird oft mit kleinen Menschen in Verbindung gebracht. Doch stellt sich die Frage, ob die Körpergröße wirklich die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst. Eine polnische Forschergruppe hat sich mit unterdurchschnittlich kleinen Menschen beschäftigt und festgestellt, dass sich überdurchschnittlich viele rücksichtslose und egozentrische Menschen unter ihnen befinden.

Napoleon-Komplex heißt jenes Phänomen, dass Menschen, die kleiner als der Durchschnitt sind, den Wunsch hegen, fehlende Körpergröße durch Erfolg und Macht um jeden Preis auszugleichen. Wie neuste Studien vermuten lassen, gehen damit häufiger negative kompensatorische Verhaltensweisen einher als bei der restlichen Bevölkerung. Kleine Menschen mit einem Napoleon-Komplex tendieren etwa dazu, auffällige Autos zu fahren, zeigen öfter aggressives Verhalten und versuchen, Macht über andere Menschen auszuüben. Angeblich manipulieren sie ihre Mitmenschen, um den größtmöglichen Vorteil für sich selbst zu erlangen.

 

Eindeutiges Ergebnis durch polnisches Forscherteam

Die Studie trägt den Titel „The Napoleon Complex Revisited: Individuals with High Dark Triad Traits Are Dissatisfied with Their Short Stature.“ Zu Deutsch: „Der Napoleon-Komplex neu aufgelegt: Menschen mit einer hohen Ausprägung der Dunklen Triade sind unzufrieden mit ihrer kleinen Körpergroße“. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift „Personality and Individual Differences“ veröffentlicht. Um die Ergebnisse zu verstehen, sei jedoch zunächst geklärt, was genau die Dunkle Triade ist?

 

Was ist die „Dunkle Triade“?

Die Dunkle Triade bezeichnet drei negative Persönlichkeitsmerkmale, die häufig gemeinsam auftreten: Machiavellismus, Narzissmus sowie subklinische Psychopathie. Menschen mit diesen Diagnosen sind bekannt dafür, negative und manipulative Verhaltensweisen an den Tag zu legen.

Machiavellismus: Die Neigung, andere zu manipulieren, um die eigenen Ziele zu erreichen. Machiavellistische Menschen sind oft bereit, andere zu täuschen, zu betrügen oder auszunutzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Narzissmus: Narzissmus beschreibt übermäßige Selbstliebe und ein übersteigertes Selbstwertgefühl. Narzisstische Menschen haben ein enormes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung. Auch Narzissten sind arrogant, egozentrisch und manipulativ, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Subklinische Psychopathie: Subklinische Psychopathie sind Verhaltensweisen, die nicht stark genug ausgeprägt sind, um alle Anforderungen an eine klinische Diagnose zu erfüllen. Menschen mit subklinischer Psychopathie verfügen über geringe Empathie, impulsives Verhalten, mangelnde Reue und fehlendes Gewissen.

Obwohl diese Merkmale unabhängig voneinander funktionieren, können sie gemeinsam auftreten und sich gegenseitig verstärken, sodass toxische Persönlichkeitsmerkmale noch deutlicher hervortreten. Darum sprechen wir von der „Dunklen Triade“.

 

Die Studie zum Napoleon-Komplex

Ein Forschungsteam aus Polen untersuchte jüngst die Theorie des Napoleon-Komplexes. Hierfür wurden 367 männliche und 134 weibliche Teilnehmer im Alter von 20 bis 72 Jahren aus den USA ausgewählt, um an der Studie teilzunehmen.
Alle Teilnehmer wurden einem Persönlichkeitstest unterzogen, um anschließend sämtliche Ergebnisse miteinander zu vergleichen.

Die zugrunde liegende Hypothese lautete: Das Selbstbild einer Person hat Auswirkungen auf ihr Verhalten und ihre sozialen Interaktionen. Die Vermutung war, dass Menschen mit einem Komplex bezüglich ihrer Körpergröße eher Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, die denen der „Dunklen Triade“ entsprechen.

 

Studienergebnis ist eindeutig

Gemäß den Untersuchungen des polnischen Forschungsteams haben Menschen mit einer kleineren Körpergröße im Vergleich zum Durchschnitt oft mit einem Komplex zu kämpfen, was dazu führt dazu, dass sie anfälliger für gewisse Persönlichkeitsakzentuierungen sind. Sie zeigen vermehrt egozentrische Züge und neigen dazu, ihre Macht über andere auszunutzen. Im Gegensatz zu Menschen mit durchschnittlicher Körpergröße sind sie sehr darauf bedacht, andere zu manipulieren und streben häufiger nach Macht und Anerkennung.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass der sogenannte Napoleon-Komplex tatsächlich existiert. Insbesondere kleine Menschen, vor allem Männer, versuchen ihre geringe Körpergröße durch gewisse Verhaltensweisen zu kompensieren.

Doch Vorsicht! Nicht alle kleinen Menschen sind automatisch bösartig. Die Studie ist lediglich ein Indiz für die Existenz des Napoleon-Komplexes. Keinesfalls bedeuten die Ergebnisse, dass jeder Mensch mit unterdurchschnittlicher Körpergröße zwangsläufig negative Charakterzüge besitzt.

Liebe Grüße,
Deine Ariane Lehmann